„Multilateralismus von A - Z”
Teil des Forschungsprojektes ist eine umfassende Sammlung unterschiedlicher Verständnisse und Spielarten des Multilateralismus in Wissenschaft und Praxis. Hierzu bündelt das “Glossar des Multilateralismus” systematisch relevante Informationen und Gebrauchsweisen um einen besseren Überblick gleichermaßen über akademischen Forschungsstand und politische Diskussion zu ermöglichen. Als lebendes Dokument soll es – auch unter Beteiligung der Besucherinnen der Website – fortlaufend aktualisiert werden, damit es sowohl dem Projekt wie auch seinen Besuchern als lebendige Wissensquelle dienen kann.
Was fehlt? Vorschläge zur Erweiterung des “Glossar des Multilateralismus”
Vorschläge zur Erweiterung des Glossars um zusätzliche Einträge wie auch die Fortschreibung und weitergehende Ausdifferenzierung bereits bestehender Einträge sind erwünscht.
Ad Hoc Multilateralism
“Ad hoc multilateralism refers to multilateralism created for ‘a particular or specific purpose’. Sometimes also called single-issue multilateralism, the term was used by Robert Scalapino to describe collaborative mechanisms developed to deal with specific security problems in Eastern Asia before the creation of an effective regional security institution. […] Ad hoc multilateralism usually focuses specifically on a single problem or issue area, and membership tends to be restricted to parties with a close link to the matter at hand, although these do not necessarily need to be states.
Capie, D.; Evans, P. (2002): The Asia-Pacific Security Lexicon. Institute of Southeast Asian Studies, Singapore, p. 11.
“Experience dictates that the United States must conceive of security structures suited to specific situations, whereby concentric arcs are constructed, arcs rather than circles so that contacts can flow among levels when necessary. In the case of the Korean peninsula, for example, the first arc is naturally composed of North and South Korea, the parties immediately concerned; beyond them, the four major states long involved with the Korean problem; as an outer arc, international bodies, both economic and political, that may provide services.”
Scalapino R. (1991): “The United States and Asia: Future Prospects”. Foreign Affairs, Vol. 70, No. 5, 1991-92, 19-40; here: pp. 38-39.
Ad hoc Multilateralismus ist eine Form des Minilateralismus. Eine spezifisch auf ein bestimmtes Problem ausgelegte Gruppe von Akteuren bildet einen informalen Raum für multilateralen Austausch mit dem Ziel der Lösung des Problems. Der Aufbau und die Zusammensetzung dieser ‚Gruppe‘ kann – im Idealfall stets problemangepasst – variieren. Prominent wurde der Begriff zuletzt wieder von führenden europäischen Politiker:innen in einem Aufruf zur Bewältigung der Corona-Pandemie verwendet. Ad-hoc Koalitionen sollen demnach etablierte multilaterale Institutionen ergänzen.
Eine der Ersten, die den Begriff des Ad hoc Multilateralismus geprägt hat, war Margaret Karns (1987) die diesen zur Beschreibung der Diplomatie der ‚Kontaktgruppe‘ verwendete, die im Zeitraum von 1977-1982 die Namibien-Frage zu lösen versuchte. Zumeist wird er allerdings mit dem Aufbau einer Sicherheitsstruktur nach Robert Scalapino (1991) in Verbindung gebracht. Scalapino selbst hat den Begriff selbst nicht explizit benutzt, sondern ihm wird dieser eher im Rahmen seiner Lektüre durch weitere Autoren zugeschrieben. In diesem Sinne sollen unter dem Ad hoc Multilateralismus konzentrische Bögen von Akteuren, ausgehend von den unmittelbar betroffenen Akteuren, um ein zentrales Problem gespannt werden. Die Ebenen der Akteursbögen sind durchlässig und die Akteure ausdrücklich nicht auf Staaten beschränkt.
Robert A. Scalapino (* 1919, † 2011) war Professor für Politikwissenschaftler an der University of California, Berkeley. Er war ein führender Experte für Politik und Geschichte Ostasiens sowie Mitbegründer und erster Vorsitzender des National Committee on United States-China Relations.
Assertive Multilateralism
“Assertive multilateralism to me is using the new setting of an international community to bring about agendas that are good not only for the United States, but the entire world by asserting American leadership within the particular setting and realizing assertive multilateralism has a multiplier effect, and is definitely not an oxymoron.”
Albright, M. K. (1994): “U.S. Participation in the United Nations Peacekeeping Activities “, Hearings Before the Subcommittee on International Security, International Organizations and Human Rights of the Committee on Foreign Affairs, S. 13.
“These two realities – multilateral engagement and leadership within collective bodies – require an ‘assertive multilateralism’ that advances U.S. foreign policy goals. Preventive diplomacy is the linchpin of assertive multilateralism. We are going to have to open our minds to broader strategies in multilateral forums. We need to project our leadership where it counts long before a smoldering dispute has a chance to flare into the crisis of the week.”
Albright, M. K. (1994): “U.S. Participation in the United Nations Peacekeeping Activities“, Hearings Before the Subcommittee on International Security, International Organizations and Human Rights of the Committee on Foreign Affairs, S. 99.
Albright prägte den Begriff „assertive multilateralism“ (zu deutsch: „durchsetzungsfähiger Multilateralismus“) als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Der Begriff beschreibt die Praxis der Clinton-Regierung, die US-Streitkräfte mit den UN-Friedensmissionen zusammenzubringen und damit eine ehrgeizige UN-Agenda zu unterstützen. Ziel war es, internationales Vertrauen zu gewinnen, die Kosten der internationalen Führung zu verteilen und die Legitimität für internationale Handlungen zu stärken.
Madeleine K. Albright (* in Prag) war von 1997 bis 2001 US-amerikanische Außenministerin. und unter Präsident Bill Clinton die erste Frau in diesem Amt.
Connectivity
„Connectivity is about bringing countries, people and societies closer together. It facilitates access and is a means to foster deeper economic and people-to-people ties. It encompasses the hard and soft aspects, including the physical and institutional social-cultural linkages that are the fundamental supportive means to enhance […] economic, political-security, and socio-cultural ties”
ASEM Connectivity covers all modes of transport (aviation, maritime, rail and road) and also includes, among others, institutions, infrastructure, financial cooperation, IT, digital links, energy, education and research, human resources development, tourism, cultural exchanges as well as customs, trade and investment facilitation.
Becker, William; Domínguez-Torreiro, Marcos; Neves, Ana Rita; Moura, Carlos Tacão; Saisana, Michaela, Jorge, Carlos 2019: Exploring ASEM Sustainable Connectivity. What brings Asia and Europe Together?
Connectivity/Konnektivität im mehrdimensionalen Verständnis von ASEM beschreibt die Verbindung von Ländern, Menschen und Gesellschaften und ist eng an Nachhaltigkeit geknüpft. Allerdings ist Konnektivität kein ausschließlich mit ASEM in Verbindung gebrachtes Konzept. Konnektivitätsstrategien finden sich in einer Reihe zwischenstaatlicher Organisationen (Becker et al. 2021) wie beispielsweise in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) oder im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) wieder. Die Definition des Begriffs ist unscharf und die Gewichtung der innenbegriffenen Dimensionen variiert von Kontext zu Kontext.
Als gemeinsamen Nenner lässt sich formulieren, dass Konnektivität heute im internationalen Kontext als Schlagwort genutzt wird. Es gilt auch Umbenennung des teilweise negativ konnotierten Begriffs Globalisierung (Becker et al. 2021).
Das Asia-Europe Meeting (ASEM) ist ein informelles, interregionales Dialogforum von europäischen und asiatischen Staaten.
Contested Multilateralism
“‘Contested multilateralism’ describes the situation that results from the pursuit of strategies by states, multilateral organizations, and non-state actors to use multilateral institutions, existing or newly created, to challenge rules, practices, or missions of existing multilateral institutions.”
Morse, J and R. O. Keohane. (2014): “Contested Multilateralism”, The Review of International Organizations 9: 385.
Keohane und Morse verstehen unter dem Konzept des „contested multilateralismus“ eine Herausforderung existierender multilaterale Regime durch Mittel und Praktiken des Multilateralismus, ohne diesen selbst in Frage zu stellen. Bieten die internen Mechanismen des Regimes mit dem status quo unzufriedenen Akteur:innen keine Perspektive kommt es zu einem Konflikt nicht innerhalb, sondern zwischen multilateralen Institutionen und die Herausforderer:innen setzen „Multilateralismus gegen Multilateralismus“ ein. „Contested multilateralism“ beschreibt dabei sowohl die Situation als auch die von revisionistischen, staatlichen oder nicht-staatlichen, Akteuren angewendeten Strategien um diese herbeizuführen. Unter diesen identifizieren Keohane und Morse das „regime shifting“, bei dem Herausforderer:innen versuchen, den Schwerpunkt des Regimes auf ein alternatives, bereits existierendes multilaterales Forum zu verlagern sowie die „competetive regime creation“, bei der gezielt neue, konkurrierende Institutionen oder informale Formen der Zusammenarbeit geschaffen werden.
Robert O. Keohane (*1941 in den USA) ist emeritierter Professor an der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs, Princeton University und eine der zentralen Figuren der Entwicklung des neoliberalen Institutionalismus.
Julia C. Morse ist Assistenzprofessorin am Institut für Politikwissenschaft der University of California, Santa Barbara.
Funktionaler Multilateralismus
“Multilateralism can be defined as international cooperation among more than two states, designed to solve international problems and to deal with conflicts resulting from perceived or actual anarchy in international relations. Multilateralism has been a reality of international relations for six decades and has served many purposes. In most cases, it has been functionally oriented and either global or regional in scope.”
Krause, J. (2004): “Multilateralism: Behind European Views”, The Washington Quarterly 27(2): 44.
Joachim Krause fasst Multilateralismus als eine funktionell auf bestimmte Zwecke ausgerichtete Kooperation zwischen mehr als zwei Staaten. Die prinzipielle Agenda des Multilateralismus sei demnach offen, unerschöpflich und ergebe sich aus Problemen der internationalen Beziehungen. Krause unterscheidet zwischen drei Typen des Multilateralismus:
Open functional multilateralism ”[…] deals mainly under the UN umbrella with military and non-security-related aspects of international life. The agenda is, in principle, open ended and almost inexhaustible and, sometimes, unavoidably overlaps with collective security and multilateral trade institutions. […] It is this type of multilateralism which most critics refer to when they talk about the ineffectiveness of multilateralism.”
Krause, J. (2008): “The Crisis of Multilateralism”. In: The Future of Multilateralism. (Conference Report), Helsinki, June 10-11, 2008: 51.
Closed functional multilateralism: […] developed as instruments to seek opportunities for international co-operation when open multilateralism has failed to yield results. NATO is a typical case in kind. Closed multilateralism often takes the form of directorates or a cartel. Typical examples are the Group of Seven (G7) and Group of Eight (G8) […]. As a rule, closed functional forms of multilateralism seem to yield better results than open functional forms of multilateralism“.
Krause, J. (2008): “The Crisis of Multilateralism”. In: The Future of Multilateralism. (Conference Report), Helsinki, June 10-11, 2008: 51.
Epistemic multilateralism: “This type of multilateralism is the quasi-permanent co-operation that exists among like-minded states in a broad range of fields, such as the European Union (EU) and, to a lesser degree, the North Atlantic Treaty Organisation (NATO).”
Krause, J. (2008): “The Crisis of Multilateralism”. In: The Future of Multilateralism. (Conference Report), Helsinki, June 10-11, 2008: 52.
Joachim Krause verknüpft in seiner Unterscheidung zwischen offenem und geschlossenen funktionellen Multilateralismus die Exklusivität von multilateralen Formaten mit deren Effektivität. Geschlossene Formate seien durch eine engere Agenda spezifischer und sorgen durch ihre begrenzte Mitgliederzahl für einen engeren Austausch. Dies steigere ihre Effektivität. Unter epistemischem Multilateralismus versteht Krause jene üblicherweise als besonders effektiv angesehene breite und tiefe Form der Kooperation wie sie etwa in der EU anzutreffen sei.
Joachim Krause (*1951 in Deutschland) ist Professor für Internationale Beziehungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Mitglied des Council of the International Institute for Strategic Studies in London.
Minilateralism
“[…] we should forget about trying to get the nearly 200 countries to agree. We need to abandon that fool’s errand in favour of a new approach: minilateralism. By this I mean a smarter, more targeted approach. We should bring to the table the smallest possible number of countries needed to have the largest possible impact on solving a particular problem. ”
Naím, M. (2009): “Think Small to Tackle the World’s Biggest Problems”, Foreign Policy
Naím argumentiert, dass zwar die Notwendigkeit zur effektiven Zusammenarbeit im Angesicht globaler Herausforderungen beständig steigt, gleichzeitig aber multilaterale Gespräche scheitern, Fristen versäumt werden und Implementierungen ins Stocken geraten. Multilateralismus funktioniere also nicht als Allheilmittel für globale Probleme. Stattdessen schlägt Naím das Konzept „Minilateralismus“ vor: Die kleinstmögliche Anzahl von Staaten die effektiv zu einer spezifischen Problemlösung beitragen kann soll sich zusammenfinden, ohne weitere Staaten aus Repräsentations- oder Inklusions-Überlegungen heraus einzubinden.
Moisés Naím (*1952 in Libyen) ist früherer Chefredakteur der Foreign Policy, Handels- und Industrieminister von Venezuela und geschäftsführender Direktor der Weltbank sowie Autor zahlreicher Werken zu geopolitischen und ökonomischen Themen.
Multilateralismus I - III
Hanns Maull
„Multilateralismus [bedeutet] schlicht das Zusammenwirken von drei oder mehr Staaten (oder anderen Akteuren) in der internationalen Politik“. »Multilateralismus II« bezieht sich […] auf eine Außen- und Sicherheitspolitik […] die sich darum bemühen, eine bestimmte, normativ fundierte internationale Ordnung aufzubauen […]. Dass es in der Weltpolitik heute keinen breit geteilten Konsens über die Prinzipien und Normen der internationalen Ordnung gibt, wird bei der dritten Lesart des Begriffs Multilateralismus (»Multilateralismus III«) ausgeblendet. Hier steht »Multilateralismus« für die »richtigen« Antworten auf die gegenwärtigen Probleme der Weltpolitik und somit für effektives Weltregieren“.
Maull, H. W. (2020): “Multilateralismus. Varianten, Möglichkeiten, Grenzen, Erfolgsbedingungen”. SWP-Aktuell. Nr. 11, Februar 2020.
Hanns. W. Maull unterscheidet drei unterschiedliche Begriffsebenen und -defintionen des Multilateralismus, jeweils abhängig von der handlungsanleitenden Rolle von Prinzipien, Normen und Werten. Steht die Minimaldefinition des „Multilateralismus I“ noch lediglich in Abgrenzung zu bi- oder unilateralem Handeln, so zielt der derzeit (noch) vorherrschende „Multilateralismus II“ auf die Erhaltung einer auf geteilten Werten gegründeten „multilateralen Weltordnung“ und ihrer Institutionen ab, die wiederum den Rahmen für multilaterales Handeln vorgibt. „Multilateralismus III“ hingegen bezeichnet die Wunschvorstellung effektiver Problemlösungsansätze für globale Probleme und die diesen im Weg stehende Differenzen hinsichtlich der „Multilateralismus II“ zugrundeliegenden Werte auflösen – oder zumindest umgehen – zu können; er ist „Ausdruck des Prinzips Hoffnung“.
Prof. Dr. Hanns W. Maull (*1947 in Deutschland) ist Senior Distinguished Fellow und Visiting Fellow with the Executive Board der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sowie seit 2013 Adjunct Professor of International Relations, Bologna Center, Johns Hopkins University, Bologna.
Multilateralismus
Robert O. Keohane
“The definition that is more consistent with ordinary usage conceives of multilateralism as institutionalized collective action by an inclusively determined set of independent states. Truly multilateral organizations are open to all states meeting specific criteria. The rules of multilateral organizations are publicly known and persist over a substantial period of time.”
Keohane, R. O. (2006): “The contingent legitimacy of multilateralism”. In: Newmann, Edward; Thakur, Ramesh; Tirman, John (Hg.). Multilateralism under challenge? Power, international order, and structural change. Tokyo: United Nations University Press, S. 56
“Multilateralism can be defined as the practice of co-ordinating national policies in groups of three or more states, through ad hoc arrangements or by means of institutions”
Keohane, R. O. (1990): “Multilateralism: An Agenda for Research”. International Journal 45(4)_ 731.
Multilateralismus in seiner grundlegenden Minimaldefinition verweist für Keohane auf inklusives, kollektives Handeln von mindestens drei unabhängigen Staaten in einem formellen oder informellen institutionellen Gefüge und setzt damit ganz bewusst nicht weitere Faktoren wie etwa diffuse Reziprozität zwischen beteiligten Staaten (etwa: John Ruggie) voraus.
Robert O. Keohane (*1941 in den USA) ist emeritierter Professor an der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs, Princeton University und eine der zentralen Figuren der Entwicklung des neoliberalen Institutionalismus.
Multilateralismus & Vertrauen
Brian C. Rathbun
„I argue that multilateralism is the expression of trust. In the context of strategic interdependence, trust is belief that cooperation will be reciprocated.”
Rathbun, B. C. (2011): Trust in International Cooperation: International Security Institutions, Domestic Politics and American Multilateralism. Cambridge University Press, S.2.
Brian C. Rathbun verknüpft Multilateralismus mit bestimmten Formen von Vertrauen: „Strategisches Vertrauen“ ähnelt dem rationalistischen Vertrauensverständnis. „Generalisiertes Vertrauen“ hingegen beruht auf einer grundsätzlichen Akteursdisposition in Folge von Sozialisierungsprozessen. In diesem Sinne wird generalisiertes Vertrauen als Weltbild begriffen auf dessen Basis zwischen „competitors“ und „cooperators“ unterschieden werden kann (Rathbun 2012: 6). Vertrauen wird hier die Rolle eines „anarchical social capital“ zugeschrieben, das als Basis für multilaterales Handeln dient.
Brian C. Rathbun ist Professor für Internationale Beziehungen an der University of Southern California. Er integriert in seiner Forschung Ansätze der politischen, sozialen und kognitiven Psychologie, insbesondere in Bezug zu der Rolle von Ideologie in politischen Entscheidungsprozessen.
Multilateralism
“[…] multilateralism is an institutional form which coordinates relations among three or more states on the basis of ‘generalized’ principles of conduct”
Ruggie, J. H.. (1992): “Multilateralism: The Anatomy of an Institution”, International Organization, 46(3), 567.
Nach John Ruggie steht Multilateralismus für durch Institutionalisierung koordinierte Beziehungen zwischen mindestens drei Staaten. Drei Eigenschaften unterscheiden den Multilateralismus hierbei von anderen Formen der internationalen Beziehungen: (a) (unteilbare) Kollektivität der Mitglieder, (b) verallgemeinerte Verhaltensregeln und -prinzipien und (c) diffuse Reziprozität mit etwa gleichen Vorteilen für alle mitwirkenden Staaten.
John Gerard Ruggie (* 1944 in Österreich) ist Inhaber der Berthold Beitz Professur für Menschenrechte und Internationale Beziehungen an der Harvard Universität.
Selective Multilateralism
"'Selective multilateralism' […] is perhaps a more accurate description of U.S. treaty behavior than unilateralism. The United States does not oppose international agreements, but rather adheres to those obligations that serve its perceived interests and rejects other obligations that do not.”
Chayes, A. (2008). “How American Treaty Behavior Threatens National Security”. International Security 33(1): 47.
"selective multilateralism" can be seen as referring to US' approach toward multilateralism [which] entails building small groups and setting up multilateral mechanisms with military and security; such as the Quadrilateral Security Dialogue with Japan, Australia and India. These mechanisms seek to confront and provoke certain countries.”
Hao, Su (2021). “Doubtful US will embrace real multilateralism”. Global Times.
Der Begriff „selective multilateralism” (zu deutsch: selektiver Multilateralismus) wurde zu verschiedenen Zeitpunkten verwendet um die politische Praxis zu beschreiben, eine selektive Auswahl multilateraler Partner und Handlungen je nach Themenfeld vorzunehmen anstatt eine umfassende und prinzipiell allen offenstehende multilaterale Zusammenarbeit anzustreben. Abzugrenzen von dem ebenfalls oft mit negativer Konnotation verwendeten Schlagwort des „Unilateralismus“, wurde der Begriff zunächst von Beobachtern des „unipolaren Moments“ der USA verwendet, erfährt aber in neuerer Zeit wieder verstärkte Nutzung; im Zuge des virtuellen Weltwirtschaftsforum in Davos 2021 etwa nutze der chinesische Präsident Xi Jinping den Begriff um als selektiv praktizierten Multilateralismus gelesenes und gegen China gerichtetes US-Verhalten zu kritisieren.
Antonia Chayes (*1929) ist Professor für internationales Recht and der Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts University, Mitglied des Council on Foreign Affairs und frühere stellvertretende Staatssekretärin im amerikanischen Verteidigungsministerium.
Dr. Hao Su ist Professor für diplomatische Studien sowie Direktor und Mitbegründer des Center for Strategic and Peace Studies an der China Foreign Affairs University.